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Das Gefühl nicht vergessen zu sein - über vier Monate in Afghanistan

Mazar e Sharif. Übergaben und Wechsel, dass ist etwas was zum Soldatenberuf wie selbstverständlich dazu gehört. Gerade im Auslandseinsatz, wo die Personalrotation hoch ist, sind Übergaben keine Seltenheit. Außergewöhnlich ist nur, wenn ein ganzes Dorf übergeben wird. In Mazar-e Sharif, im Norden Afghanistans, da waren es kürzlich gar elf Dörfer, die übergeben wurden.
Zum Verständnis: Die Luftwaffe, die für den Schutz des Camps Marmal und des Flugplatzes Mazar-e Sharif verantwortlich ist, betreibt innerhalb der sogenannten Blue Box, einer Sicherheitszone rund um das Feldlager und den Flugplatz, ein einmaliges und seit Jahren erfolgreiches Konzept: die sogenannten Dorffeldwebel.


Elf kleinere Dörfer liegen innerhalb der Sicherheitszone, in der die Objektschutzkräfte der Luftwaffe das ganze Jahr über, 24 Stunden am Tag, Patrouillen fahren. Jedem dieser Dörfer ist ein Dorffeldwebel, in der Regel einer der Gruppenführer der verantwortlichen Objektschutzgruppe, zugeordnet. Dieser Soldat steht in ständiger Verbindung zu dem Malik, dem Dorfältesten. Er nimmt die Wünsche und Probleme der Dorfbewohner auf, versucht Unterstützung zu leisten und bekommt auf diesem Wege so manches mal auch wertvolle Hinweise für die eigene Truppe. So wurden in den vergangenen Monaten zwei Anschläge auf Bundeswehr-Patrouillen dank frühzeitiger Hinweise aus der Bevölkerung rechtzeitig vereitelt.

Oberfeldwebel Alexander M. aus Kamp-Lintfort war ein solcher Dorffeldwebel. Er hat „sein“ Dorf, Ali Abad, nur wenige Kilometer nördlich des Camps gelegen, kürzlich an seinen Nachfolger übergeben. Alexander M., der noch bis Ende Januar in Kerpen stationiert ist und dann nach Kalkar versetzt wird, ist nach fast fünf Monaten Einsatz inzwischen wieder im heimatlichen Kamp-Lintfort bei seiner Familie. Er zieht eine zufriedene Bilanz seiner Zeit als Dorffeldwebel.

„Der Einsatz war im großen und ganzen klasse“, so der 33jährige Zeitsoldat. Die Erfahrungen die er in Afghanistan sammeln durfte, will er künftig in die Einsatzvorbereitende Ausbildung, für die er in Kalkar mitverantwortlich zeichnen wird, einfließen lassen. Erschreckt hat ihn die Armut in Afghanistan.
„Das war zum Teil sehr schlimmt zu sehen“, so M., der solche Bilder bislang nur aus dem Fernsehen kannte. „Und trotzdem“, so erzählt er weiter, „sind die Menschen bereit dir das letzte Hemd zu geben.“ Die Gastfreundschaft der Afghanen nimmt er als einen positiven Eindruck mit nach Hause, die Schönheit des Landes ist ein weiterer solcher Eindruck. „Das Marmal-Gebirge mit seiner nahezu unberührten Landschaft ist einfach phänomenal“, schwärmt Alexander M.

Nicht nur als Soldat sondern vielmehr als Mensch haben M. die Monate in Mazar-e Sharif besonders geprägt. „Das ist gut, so etwas mal erlebt zu haben“, so M., „da weiß man erst einmal wie gut es uns eigentlich geht.“ Verglichen mit der Situation der Menschen in Afghanistan brauche sich in Deutschland niemand zu beklagen, führt der Oberfeldwebel weiter aus. Alexander M. hofft, dass er mit seinem Auslandseinsatz Afghanistan ein kleines Stückchen auf dem Weg in eine bessere Zukunft helfen konnte. „Die Menschen hier möchten keinen Krieg mehr“, so M., „die sind müde, möchten einfach nur in Frieden leben.“ Eindrücke, die er bei seinen vielen Gesprächen in Ali Abad sammeln durfte.
Was für Alexander M. wichtig war während seines Einsatzes, dass war die Unterstützung seiner Familie. „Natürlich hatte meine Frau Angst um mich“, so der Vater einer vierjährigen Tochter und eines einjährigen Sohnes. Er habe aber immer Rückhalt gespürt, wenn er mit zu Hause telefoniert habe. Und noch etwas hat der erfahrene Soldat neu schätzen gelernt in den vielen Wochen in Afghanistan: den guten alten handgeschriebenen Brief.

„Das ist das wichtigste überhaupt für die Soldaten im Einsatz“, ist Alexander M. überzeugt. So einen Brief trage man in seiner Beintasche mit sich und hole ihn immer wieder hervor. Deshalb ist das eine Botschaft, die ihm wichtig ist. „Schreibt den Soldaten im Einsatz, und gebt ihnen das Gefühl nicht vergessen zu sein“, sagt Alexander M. leise zum Abschluss, und man spürt, dass seine Gedanken schon längst bei seiner Familie sind.

 

 

Fotos: Archiv